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.: Geocaching auf Deutschlands größter Insel :.

Zwei Kryptozoologen erforschen Proras Ruinen

Die extrem seltene, äußerst giftige Albino-Puschelspinne

 

... die Nacht war außergewöhnlich dunkel für einen Tag im September. Der Wind heulte durch die leeren Straßen und nur vereinzelt zauberte das rare Mondlicht magische Schatten in unsere Welt. Rafael hatte „Nachtschicht“. Er saß schon lange vor dem Bildschirm und starrte in die Leere. Das grünliche Licht des Bildschirms erhellte spärlich das Zimmer...

04:13 Uhr das Bild auf dem Rechnerschirm verändert sich...etwas beginnt zu blinken. Es vergehen mehrere Sekunden bevor Rafael reagiert. Langsam fokussieren seine Augen die neue Nachricht.

„Positive Übereinstimmung gefunden“

Weitere Sekunden vergehen. Plötzlich wird ihm das gesamte Ausmaß dieser Nachricht bewusst und sein Puls beschleunigt sich. Eine positive Übereinstimmung. Heureka!

Vom Adrenalinschub getrieben, fliegen seine Finger über die Tastatur. Zwei Bilder bauen sich auf dem Bildschirm auf. Ein neues und ein uraltes, welches an eine Zeichnung erinnert. Als Überschrift steht dort „Encyclopaedia Maxima Mundi, Band VI – vergessene Kreaturen“.

Wie von der Tarantel gestochen springt Rafael auf und knallt mit voller Wucht mit dem Kopf an das über dem Rechnertisch hängende schwere Bücherregal. Ein greller Blitz durchzuckt sein Blickfeld, danach hüllt Dunkelheit ihn ein und er geht zu Boden. Das gleichmäßige Flackern des Bildschirms ist nun die einzige Bewegung im Raum.

Stumm teilt der Bildschirm weiter seine Botschaft mit: „Die Albino-Puschelspinne ist eine der giftigsten Spinnenarten weltweit. Diese überaus seltene Spinnenart galt lange Zeit als Legende. Oft wurde von der Wissenschaft sogar die Existenz dieser Spinne geleugnet und etwaige Berichte als Unwahrheiten dargestellt. Die bemerkenswerteste Eigenart dieser Spinnenrasse ist es, dass die Mitglieder dieser Spinnenfamilie keine Einzelgänger sind. Sie haben es gelernt in Gruppen zu jagen und gehen hierbei arbeitsteilig vor, ähnlich wie ein Wolfsrudel. Mit einem unglaublich widerstandsfähigen Metabolismus ausgestattet, gelingt es der Albino-Puschelspinne auch in den lebensfeindlichsten Umgebungen zu überleben. Eine der besonderen Jagdtaktiken dieser Spinnenart ist das scheinbare bewegungslose Verharren. Sie wiegt ein Opfer in Sicherheit, indem sie sich nur bewegt, wenn das Opfer nicht in ihre Richtung schaut. Durch die Rudeljagd schafft es somit immer ein Tier der Gruppe nahe genug an ein Opfer heran, um dieses anzuspringen und einen tödlichen Giftbiss anzubringen....“

Der selbe Tag, 10:37 Uhr...

Es ist kein Sonnenlicht, was mich weckt. Herzhaft gähne ich und rolle mich auf die Seite und schaue den Wecker an. 10:37 Uhr? Noch gut 1 und eine halbe Stunde Zeit bis zum Aufstehen. Ich nehme schlaftrunken ein Hämmern wahr, jemand schreit etwas. Ich schüttle den Kopf um wach zu werden. Die Welt gewinnt an Schärfe, die Geräusche werden lauter. Jemand hämmert wie wild an meine Tür. „Fergus, wach endlich auf! MACH DIE VERDAMMTE TÜR AUF!!! Das kann doch nicht wahr sein, der Typ schläft, während draußen alle Welt unseren Nobelpreis im Internet bewundern kann. STEH ENDLICH AUF, DU SCHLAFMÜTZE!!!“ Weiteres rhythmisches Trommeln folgt. Ich schwanke zur Tür und gähne wieder herzhaft, es ist viel zu früh zum aufstehen. Ich lege eine Hand auf den Türgriff und kratze mir ausgiebig mit der anderen den Bart. Kaum hatte ich den Türdrücker ein kleines Stück bewegt, fliegt mir auch schon die Tür entgegen. Geistesgegenwärtig weiche ich einen Schritt zurück. An mir vorbei stürmt Rafael in meine Wohnung. Für einen Sekundenbruchteil nehme ich einen großen Verband an seinem Kopf wahr, dann ist er auch schon wieder aus meinem Sichtfeld verschwunden. Wild redet Rafael auf mich ein. Irgendwas von Spinnen und Ruinen und Rügen.

Es sind zu viele Worte und er spricht zu schnell, der Schlaf bremst mich noch. Ich drehe mich um und schaue meinen langjährigen Freund und Mitforscher an. Der Verband auf seinem Kopf wirkt wie ein schlecht sitzender Turban. Ich hebe abwehrend die Hand: „Alles ok mit dir? Bist du verletzt? Was ist den passiert? Langsam!“. „Während du hier dem Schlaf der Gerechten frönst, habe ich eine nobelpreisverdächtige Entdeckung gemacht mein Freund“ sagte Rafael. „Nein nein, ich meine was ist mit deinem Kopf?“ entgegne ich. „Ach das ist nichts, bin im Labor gegen das Bücherregal gerannt und war ca. 5 Stunden weggetreten und dann bin ich auf dem kürzesten Wege zu dir gefahren. Wir haben etwas entdeckt mein Freund. Kannst du dich an die Suchsoftware erinnern, welche wir neulich zusammengeschustert haben? Sie hat etwas entdeckt!“ Schlagartig werde ich wacher. Unser Forschungszweig, die Kryptozoologie ist nicht sehr reich an neuen Entdeckungen, es wäre die erste seit mehreren Jahrzehnten! Besonders mein Fachgebiet die mythologische Kryptozoologie ist arm an neuen Ergebnissen. Insgeheim hoffte ich auf einen Troll oder Drachen als ich zum Rechner ging. „Schau dir das an, das hat die Software heute morgen ausgeworfen. Eine echte Albino-Puschelspinne!“ „Woher stammen diese Informationen? Ist es sicher das das kein Hoax ist?“ :will ich wissen. „Es scheint echt zu sein. Die Daten stammen von irgend so einer Abenteurerplattform. Geocacher nennen die sich. Die suchen Dosen im Wald und klettern in alten Gebäuden rum. Keine Ahnung wozu das gut ist, aber schau her, irgendeiner von denen hat diese Spinne fotografiert. Wir müssen da unbedingt hin!“ Die Ruinen von Prora denke ich... niemals hätte ich erwartet, dass wir dort so eine Entdeckung machen würden...

Der Tag darauf, 07:11 Uhr...

Die Sonne schaut gerade über den Waldrand, als wir im Forschungsgebiet ankamen. Rafael war sofort Feuer und Flamme und kletterte in die Ruinen. Ich folgte ihm fasziniert von der Größe dieses Bauwerks. Warum treiben sich die Kreaturen, welche wir seit Jahren suchen an solch einem Ort herum und nicht in irgendeinem lauschigen Stadtpark? Wäre vermutlich viel zu einfach. Das sich die seltene Albino-Puschelspinne gerade hier wohl fühlen sollte, war in erster Linie erstaunlich. Nach dem anhaltenden Besucherstrom dieser Geocacher zu urteilen, muss sich die Spinnenpopulation hier zumindest nicht um Nahrung Gedanken machen. Wer weiß wieviele von diesen Freizeitabenteurern den Spinnen schon zum Opfer gefallen sind? Bei der Erforschung der Ruinen stellten wir fest, dass die Spinnen nicht die einzigen Arten sein konnten, welche hier lebten. Immer wieder fanden wir aufgewühlte Fußbodenverkleidungen oder hoch gewölbte Fußböden. Als ich das zum ersten Mal sah, stutzte ich. Die „Gänge“ waren zu groß für das übliche Nagegetier und die Beschaffenheit des Gebäudes zu fest um sich einfach durch den Stahlbeton zu arbeiten. Während wir durch die Gänge streiften, immer auf der Suche nach Hinweisen auf eine präsentable Spinnenpopulation, fiel mir ein Bericht in einer Fachzeitung ein, welchen ich vor einer Weile gelesen hatte.

Dort wurde der „Heißköpfige Nackteisborer“ vorgestellt. Es handelt sich hierbei um eine nur ein einziges Mal beschriebene Tierart, welche in der Arktis lebt. Am besten lassen sich diese Tiere mit Maulwürfen vergleichen. Sie bohren große Gänge ins Eis. Diese benutzen die Fleischfresser, um beispielsweise Jagd auf Pinguine zu machen. Ich hatte diese Jagdgänge eingehend untersucht und heute sah ich sie wieder, hier in den Ruinen von Prora. Die Form wie der Boden aufgeworfen war, das scheinbar wirre Muster der Gänge all dies wies auf die Anwesenheit von heißköpfigen Nackteisborern hin. Wie waren die nur hier her gekommen? Und vor allem was jagten sie hier? Hatten sie sich an das gemäßigte Klima hier anpassen können? Eine Frage jagte die nächste.

Konnten wir uns hier überhaupt gefahrlos bewegen, oder galt es besondere Schutzausrüstung zur Bewältigung der Gefahren hier zu besorgen...

Wir standen im dritten Stock und bewegten uns nicht. Wir lauschten nur den Geräuschen dieser Welt. Der Wind heulte in den offenen Fenstern und hier und dort knallte eine offene Tür. Doch auch dieses leise Trippeln von vielen kleinen Füßen war zu hören. Es war diese Art von Geräusch, welche man nur unterbewusst wahrnimmt und wenn man dann genauer hinhört ist es verschwunden. Das gleiche passierte uns in den „endlosen Gängen“. „War dort hinten eine Bewegung?“ fragte Rafael plötzlich und zeigte in Richtung Treppenhaus 4. „Wo?“ fragte ich zurück. „Na dort, ich bin mir ziemlich sicher einen Schatten gesehen zu haben.“ „Hey, mach mich nicht fertig, es gibt hier hoch giftige Puschelspinnen, aller Wahrscheinlichkeit nach auch eine Abart von fleischfressenden heißköpfigen Nackteisborern und du willst jetzt irgendwelche Schatten huschen sehen? Wenn mich fragst gibt es hier schon genug gefährliche Viecher. Lass uns so eine Spinne finden und zurück ins Labor bringen. Dort ist nichts in den Schatten, versteif dich nicht drauf, sonst denkst du wieder du hättest eine Elwetritsche gesehen.“

Rafael schaute noch eine Weile angestrengt in den Gang, doch nichts rührte sich. Wir stiegen hinab in die Keller der Ruinen, denn hier war das Bild der Spinne aufgenommen worden. Das leise Trippeln von Schritten in der Dunkelheit und das unangenehme Gefühl aus den Schatten beobachtet zu werden verfolgte uns. Immer tiefer drangen wir in den Untergrund ein. Das Licht unserer Lampen formte bizarre Schatten an den Wänden. Immer wieder schauten wir zurück in die Dunkelheit, auch wenn ich ein anderes Gefühl hatte, aber nichts schien uns zu folgen. Wir erreichten einen kleinen Raum und beschlossen Pause zu machen. Die Luft war stickig und abgestanden und überall war Feuchtigkeit. Ich fand ein altes Rohr und lehnte mich dagegen und hing meinen Gedanken nach. Plötzlich riss mich ein Schrei aus meiner Ruhe. Mein Puls beschleunigte sich, nur um sich kurz darauf wieder zu beruhigen. Es ist doch erstaunlich wie stark sich die Dunkelheit auf die menschliche Psyche auswirkt.

„Ich hab eine, ich habe eine!! Schau sie dir ein, was ein großes Exemplar.“ Ich lief hinüber und schaute meinem Partner über die Schulter und tatsächlich, dort saß sie eine Original-Albino-Puschelspinne! Wie zwei Schuljungen, welche einen Käfer im Glas beobachteten, starrten wir die Spinne aus großen Augen an. Die Spinne starrte reglos zurück. Voller Ehrfurcht murmelte Rafael: „Schau nur sie verharrt völlig regungslos, fast so als wäre sie auf der Jagd...“ Zeitgleich geht mir und Rafael die tiefere Wahrheit dieser Worte auf. Unsere Augen weiteten sich. Blitzschnell drehe ich mich um und leuchte die Wände ab... überall sind plötzlich Puschelspinnen. Das Rohr an dem ich gelehnt hatte, ist ein gerahmt von ihnen. Ich habe das Gefühl das sich die Wände neben und hinter mir bewegen. Ich höre wie ein Plastikverschluss zuschnappt und sehe dann nur noch wie Rafael an mir vorbei rennt. „Ich hab eine, lass uns abhauen!!!“ höre ich nur noch durch die Gänge hallen. Instinktiv beginne ich zu rennen, im Schein der fallen gelassenen Lampe sehe ich die Schatten der Spinnen, welche von den Wänden springen und uns folgen. Ich drehe mich um und laufe rückwärts. Sofort als ich sie ansah, hörten die Spinnen auf sich zu bewegen. Ich gleite aus und stürze auf den nassen Boden. Rafael packt mich an der Jacke und zerrt mich zu einem schmalen Durchgang. Das Tageslicht leuchtet uns entgegen.

Schnell klettern wir in den nächsten Gang und schauen zurück ins Halbdunkel. Die Spinnen hatten innegehalten. Keine wagte sich ins Tageslicht. „Hah! Die haben schon so lange dort unten gelebt, die vertragen das Licht nicht mehr!“ ruft Rafael. Ich atme immer noch schwer und schaue den Spinnen nach welche langsam wieder in der Dunkelheit verschwinden. Wie verließen die Ruinen. Den ganzen Tag waren wir da unten und um Haaresbreite, wären wir auch dort unten geblieben. Rafael und ich sitzen auf einem alten Mauerstück und schauen in Richtung Meer. Wir genossen die frische Luft. Bald würde es einen herrlichen Sonnenuntergang geben. Ich war zu fertig um noch irgendetwas zu sagen...

Danke an Lex Parka für die Erschaffung dieses einzigartigen Caches. Inklusive Bonus waren das für uns (RSIS, Conny vom Navigtor HST-Team, Max, Alex von der OFC und mich) 11 ½ Stunden Abenteuer pur.

Mein besonderer Respekt gilt Max unserem „einarmigen Muggel“, welcher diesen ganzen T5 mit einem Arm in Gips bewältigt hat. Hut ab, ich hätte das nicht geschafft.

Die Nacht nach dem Cache konnte ich nicht einschlafen, obwohl ich gut geschafft war. Mein Adrenalinspiegel war eindeutig zu hoch... FA&FA

* * *

Mein Kollege Fergus und ich sind renomierte Kryptozoologen der privaten Forschungseinrichtung ACC – Vorpommern, die bisher als eine der erfolglosesten in der Szene mehr berüchtigt, als berühmt ist.

Aus diesem Grunde muss einer von uns ständig Zusatzdienste schieben, denn Forschungsgelder gibt es nur, wenn etwas dabei herauskommt. Wir ziehen immer Streichhölzer, um zu ermitteln, wer seinem Biorhythmus folgen darf und wer sich die Nächte um die Ohren schlagen muss. Leider habe ich in der Vergangenheit sehr oft den „Kürzeren“ gezogen. Fergus muss an den genormten Streichhölzern manipuliert haben, denn wie jedem guten Kryptozoologen bekannt ist, werden diese Hölzer auch für Streiche verwendet.

So sitze ich nun am frühen Morgen vor meinem Bildschirm und lasse einige Suchalgorithmen durch den Rechner laufen. Nach vielen Fehlschlägen fängt der Rechner plötzlich hektisch an zu blinken. Ich erwartete eine erneute Fehlmeldung und erwachte nur langsam aus meiner Lethargie. Ich musste blinzeln und nochmals auf den Bildschirm schauen, denn ich hatte eine „positive Übereinstimmung“ gefunden. Mein Puls schnellte plötzlich in die Höhe und ich war schlagartig hellwach. Ich rief den Fund auf und erhielt ein kongruentes Bilderpaar. Die abgebildete neue Digitalaufnahme stimmte hundertprozentig mit der Kohlezeichnung aus dem Standardwerk „Encyclopaedia Maxima Mundi, Band VI – vergessene Kreaturen, Kapitel Puscheltiere, Abschnitt Arachniden“ überein.

Der Rechner hatte sie entdeckt, die „Albino-Puschelspinne“. Wir waren einem der größten Mythen der Welt auf den Fersen, denn die Albino-Puschelspinne gilt als besonders raffiniert und besitzt ein tödliches Gift. Die renommiertesten zoologischen Institute der Welt leugnen bisher ihre Existenz und streiten alle Berichte als Phantasiegeschichten ab. Diese possierlichen Tiere haben im Verlaufe der Evolution gelernt, im Rudel zu jagen und arbeitsteilig vorzugehen, denn in den von ihnen beherrschten Lebensräumen hat sich diese Verfahrensweise bewährt. Die Wolfrudeltaktik besteht darin, dass ein Lockvogel, zumeist ein dickes Weibchen, so platziert wird, dass es potentiellen Opfern sofort ins Auge sticht und diese entweder vor Entzücken („Oh, wie puschelig“) oder vor Ekel („Ih, wie haarig“) ein wenig vor den eigentlichen Jagdtrupps ablenkt. In der Zwischenzeit pirschen sich die Jäger lautlos an das ahnungslose Opfer an, um es aus dem Hinterhalt anzuspringen und das schnell wirkende Gift zu injizieren. Dann folgt der äußerst schmerzhafte Todeskrampf…

Da die Spinnen im Verborgenen leben und mit ihren Angriffen äußerst erfolgreich sind, gibt es bisher keine Berichte über diese Tiere.

Voller Elan sprang ich auf und merkte schnell einen stechenden Schmerz am Hinterkopf. Dann umfängt mich die Dunkelheit und ich gebe mich ihr hin.

Als ich wieder erwachte, waren bereits einige Stunden vergangen und ich merkte, dass mein Kopf immer noch dröhnte. Auf meinem Bauch lag ein aufgeschlagenes Buch „Handbuch für Kryptozoologen“, welches wohl aus dem Regal gefallen war, als ich mir daran den Kopf anstieß. Ich schlürfte noch schnell den kalten Kaffee aus und hastete die Treppen hinab und sprang ins Auto. Mit quietschenden Reifen komme ich vor der Absteige zum stehen, die Fergus für gewöhnlich bewohnt, wenn er nicht im Felde unterwegs ist. Es ist ein strahlender Vormittag und ich schaue auf die Uhr, welche 10:37 Uhr anzeigt. Eigentlich zu früh, um Fergus zu wecken, schläft er doch immer bis in die Puppen.

Na egal, ich hämmerte an die Tür und nichts passierte. Ich erhöhte die Schlagzahl und fing an. wie ein irrer seinen Namen zu brüllen. Endlich öffnete sich die Tür und mir torkelte Fergus entgegen. Mit forschem Schritt betrat ich sein zuhause und redete auf ihn ein. An seinen Reaktionen erkannte ich, dass er noch nicht ganz bei der Sache war. Eine Tasse Tee später musste ich meinen Vortrag wiederholen und es begann sich ein breites Grinsen in seinem Gesicht abzuzeichnen. Ob das an dem Verband an meinem Kopf oder an der bevorstehenden Forschungsreise lag, konnte ich nicht genau erkennen. Auf jeden Fall machte Fergus ständig irgendwelche zotischen Bemerkungen über meinen Unfall. Nachdem ich geendet hatte, schlenderte Fergus zum Rechner und rief die Daten auf. Sein Fachgebiet ist die Mythologie und nachdem wir auf der Insel Rügen bisher einigen Falschinformationen bezüglich Trolle, Drachen, sowie sprechenden Füchsen und anderen Nagetieren aufgesessen waren, hielt sich seine Begeisterung in Grenzen. Skeptisch scannte es die Bilder und rief die Recherchedatenbank vom Geocaching-Server auf. Die Daten wurden sehr sorgfältig überprüft, dient doch diese Datenbank vielen Scharlatanen, um gezielt Falschinformationen zu streuen und ahnungslose Forscher auf die absonderlichsten Fährten zu locken. Eine gute halbe Stunde später drehte er sich um und sagte: „Rafael, ich habe einen Plan“…

Der Tag darauf sollte uns der Wahrheit ein Stückchen näher bringen. Mit professioneller Feldausstattung verschafften wir uns Zutritt zum betreffenden Objekt. Schon nach einigen Schritten entdeckten wir interessante Spuren. Wie gut, dass ich das Handbuch dabei hatte und so blätterte ich schnell die entsprechenden Seiten auf. An Hand der hochgewölbten Parkettfußböden und der überall verstreuten Verkleidung tippte Fergus auf einen Vertreter der Familie der Nacktbohrer. Er legte sich schnell auf die Art „Heißköpfiger Nackteisbohrer“ fest, denn kein anderes Tier hat die Kraft und die Ausdauer sich durch dicken Stahlbeton zu wühlen. Die Gänge dienen der Fortbewegung und der Jagd auf ahnungslose Säuger, die aus dem Hinterhalt angegriffen und sofort in die sicheren Tunnel gezogen werden. Darüber hinaus legen sie für größere Beutetiere ein paar geschickt getarnte Fallgruben an, durch die die ahnungslosen Opfer in den Boden einbrechen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Dann fanden wir uns auf einem der endlosen Flure wieder und ich glaubte aus dem Augenwinkel irgendwo bei Treppenhaus 4 eine flüchtige Bewegung bemerkt zu haben. Ich wies Fergus darauf hin und dieser fand die Vorstellung, an diesem Ort noch anderen gefährlichen Tieren zu begegnen nicht gerade berauschend.

Dann geschah es, im Erdgeschoss von Treppenhaus Nummer 3 fanden wir die mumifizierten Überreste eines unbekannten Tieres. Ich schaute sogleich im bewährten Handbuch nach und las einen gruseligen Abschnitt vor. Wir hatten hier ein junges Exemplar des mystischen Schattenläufers gefunden. Schattenläufer sind große Raubtiere, die meist als Einzelgänger unterwegs sind und sich bevorzugt in Wäldern aufhalten, die ihnen als Jagdrevier dienen. Schattenläufer sind reine Fleischfresser, die bei der Wahl ihrer Beute wenig wählerisch sind und auch vor Menschen nicht Halt machen. Zeugnisse dafür sind mitunter ganze Berge aus Knochen und Totenschädeln, die sich häufig in und um Schattenläuferhöhlen finden.

Schattenläufer jagen bevorzugt nachts, indem sie sich an ihr Opfer langsam heranschleichen und es dann mit einem Satz überwältigen. Den Tag verbringen sie normalerweise schlafend inmitten des Waldes, denn natürliche Feinde haben sie kaum zu fürchten. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, schlafen sie, vermutlich zum Schutz vor der Witterung, auch gern in Höhlen, die sie gelegentlich mit Artgenossen teilen.

Bei dem vor uns liegenden Exemplar handelt es sich um ein Jungtier, das entweder an Nahrungsmangel gestorben ist oder den Kampf gegen eine andere Tierart, wie beispielsweise gegen die Albino-Puschelspinne verloren hat. Wir verließen schnell diesen Ort des Grauens und begaben uns in die Kellerebene, denn wir waren ja auf der Jagd nach der Albino-Puschelspinne und das authentische Beweisfoto war vermutlich hier aufgenommen worden. Wir schalteten unsere gesamte Beleuchtungstechnik ein, um auch ja keine Ecke im Schatten zu lassen, denn im Verborgenen könnten sich allerlei Gefahren verbergen. Das Licht unserer Lampen zerteilte und verdrängte die Dunkelheit, aber hinter uns schloss sie sich gnadenlos wieder zu einer undurchdringlichen Wand zusammen. Wir mussten von nun an vorsichtiger zu Werke gehen, denn wir betraten ein geheimnisvolles Reich.

Die Wände waren mittlerweile schwarz und der vermeintlich eingeatmete Staub entpuppte sich schnell als Ansammlung von Pilzsporen. Ich hätte es zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon ahnen müssen, denn Fergus wurde immer schwächer und dennoch irgendwie euphorischer. Es gab hier psychedelische Schimmelpilze. Wie sich im Nachgang herausstellte, werden diese gezielt von den Puschelspinnen gezüchtet, um die potentiellen Opfer willenlos und anfälliger gegen Angriffsversuche zu machen. Etwas Ähnliches ist im Tierreich bei Blattschneideameisen zu beobachten.

Ich wickelte mir ein Stück Stoff um Mund und Nase und ging weiter. Eine gefühlte Ewigkeit später erhellte meine Lampe plötzlich einen bewegungslosen weißen Fleck an der schwarzen Wand. Ich konnte meinen Augen kaum trauen, saß doch direkt vor meiner Nase ein stattliches weibliches Exemplar der Albino-Puschelspinne. Ich zückte mein Becherglas und fing das Tier vorsichtig ein. Warum bewegte sie sich nicht, es war mir fast so, als ob die Spinne auf Jagd war und dann glitt mein Blick zur Seite. Überall schemenhafte Bewegungen. Ich rief Fergus schnell eine Warnung zu und setzte mich sofort in Bewegung. Ich drehte mich zu ihm um und sah verwundert, dass er seine Taschenlampe fallen gelassen hatte und mir nur mühsam folgte. Die Wirkung der Pilzsporen musste größer sein, als zunächst angenommen. Ich kratzte im Vorbeirennen noch schnell eine Probe von der Wand, um sie später im Labor genauer untersuchen zu können.

Wahnvorstellungen an den Wänden durch zu hohe Pilzsporen

 

Dann entdeckte ich eine Öffnung in der Decke und zog erst mich hoch und half dann Fergus, der immer noch Koordinierungsschwierigkeiten zu haben schien. Das beste Gegenmittel gegen den Pizrausch ist eine ordentliche Portion Frischluft, die die Atemwege von den schädlichen Partikeln befreit. Also begaben wir uns an den vermeintlich sichersten Ort des Objektes, auf das Dach.

Dort oben angekommen beobachtete ich eine ganze Weile den Himmel über uns, während sich Fergus merklich erholte. Dann nahmen wir große gefiederte Schatten über unseren Köpfen wahr. Das war wiederum eine uns unbekannte Tierart. Vermutlich handelte es sich hier um eine gigantische Form des eigentlich harmlosen Mauerseglers. Die Tiere stießen grauenhafte Laute aus, um miteinander kommunizieren zu können. Ich schlug erneut mein Handbuch auf, denn ich war gespannt, was ich über diese Tiere erfahren würde. Ich musste schmunzeln, denn diese großen Vögel waren vollkommen harmlos. Ihren komischen Namen verdanken sie ihrem Ruf der so ähnlich klingt wie ein Mensch, der von der Mauer stürzt und in die Tiefe segelt. Es soll vorkommen, dass diese unglücklichen Personen durch ihren Angstschrei genau den Balzruf des Mauerseglers imitieren und dann durch diese in der Luft gepackt und wieder auf das Dach zurück gebracht werden.

Wir hatten genug Aufregung für diesen Tag und begannen den Abstieg. Dann meinte Fergus, er hätte noch einen Hinweis auf eine weitere seltene Tierart gefunden, die hier ganz in der Nähe leben würde…

Vielen Dank an Lexparka für diesen einmaligen Cache, bei dem wir so einige Abenteuer erleben konnten. Vielen Dank an meine Mitstreiter FA&FA, NavigatorHST, OFC und den unverwüstlichen Muggel Max, der den Parcours mit einem Gipsarm bewältigt hat.

Nach einem anstrengenden Tag den Multi und den Bonus glücklich gefunden. Mein persönlich Nummer 500. RSIS

 

Kommentare  

#1 just4funACjust4funAC 2010-11-08 21:16
Junge junge, diese Story hat mich voll gefesselt. Ich habe direkt ds Licht angemacht und nachgesehen ob die Wände frei sind.... :D

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